Freitag, 22. Juni 2012

15. Juni 2012

Dorffest des Trachtenvereins in Höhenmoos


Kirche in Höhenmoos
Auf dem abendlichen Heimweg von Rosenheim nach Höhenmoos bot sich ein Bild an, wie es nicht schöner sein konnte. Die Luft war klar und sorgte für einen ungetrübten Blick auf das Alpenpanorama, das sich vom östlichen bis zum westlichen Horizont erstreckte. Die Sonne stand schon so tief, dass sie die Hänge der Berge nicht mehr erreichte, so bildete sich eine Silhouette wie ein Scherenschnitt, über dem der Himmel rot leuchtete.
   Das verlockte dazu, den Abend noch in einem Wirtshausgarten zu verbringen.
   Im Dorf angekommen, ertönte vom Anger her Musik. Nicht eine jener Art, deren Lautstarke unerträglich ist und Menschen veranlasst, wie Wahnsinnige umher zu springen und mit erhobenen Armen dabei auch noch zu schreien, nein, eine Musik jener Art, wie sie früher zu hören war, als die Instrumente noch den Ton angaben.
   Der Entschluss, dort hin zu gehen, war rasch gefasst. –
   Auf dem Dorfanger herrscht reger Betrieb. Unter alten Apfelbäumen sind rund um dem Maibaum viele Tische und Bänke aufgestellt. Dicht bei dicht sitzt Jung und Alt, die Musi’ spielt, so wie sich das gehört, ohne Kraftverstärker. Das Bier fließt reichlich, ein heißer Tag hat für den nötigen Durst gesorgt. Als Garderobe ist Tracht angesagt, die Madln san fesch, die Buam a!
   Noch ist es nicht dunkel, der Himmel zeigt einen Rest von Bläue, schon bald wird sich die Nacht auf einige Besucher senken.
   Bunte Lichterketten sind zwischen den Bäumen gespannt und beleuchten die Szene. Neben der Kapelle ist ein Tanzboden aufgestellt, auf denen sich Paare in ihren Trachten im Takt der Musi anmutig drehn. Am anderen Ende ragt die Kirche mit ihrer fledermausumflatterten Kuppel dunkel in den Abendhimmel.
Pieter Bruegel der Ältere
Die Bauernhochzeit (ca. 1568)
Wien, Kunsthistorisches Museum
(hier aus der Wikipedia)

   Grauer Rauch steigt von einem Rost empor, auf dem gegrillt, geröstet, gebraten wird. An diversen Verkaufsständen gibt es alles zu kaufen, was zum leiblichen Wohl gehört; in einem Gatter eine lebende Sau. Wozu das, frage ich mich, doch bald klärt sich diese Frage: Sie soll zur Gaudi der Gäste verlost werden.
Es ist wie ein Bild von Pieter Bruegel.
   Das alles macht Appetit. Ich finde am Rand noch einen Tisch mit einem freien Platz. Das Bier wird serviert, das Essen muss man sich selber holen. Es gelingt mir, eine junge, hübsche Bedienerin zu überreden, mir zwei paar Schweinswürstel mit Sauerkraut zu bringen. Alles ist gut, und ich genieße den Abend. So mache ich auf meinem mich immer begleitenden Ipad Notizen. Da fragt mich ein junger Mann – er hat einen Ipod zur Hand – ob er eine Aufnahme von mir machen dürfe. Ich bin ein wenig überrascht, halte ich mich doch nicht mehr für so sehenswert, willige aber – indem ich mein Ipad zur Seite lege – ein. »Nein, nein«, sagt er darauf, »bitte mit Ipad«. Auch der Wunsch sei ihm erfüllt. Er bedankt sich, indem er’s Buidl anschaut und »prima« sagt, dann verschwindet er und kommt mit einer neuen Halben Auerbräu an und setzt sich zu mir. Er hat ganz kurz geschnittenes Haar, ein rundes Gesicht mit »klugen« Augen und wirkt sehr sympathisch. Bald erfahre ich, dass er zweiundzwanzig Jahre alt ist und der Junior eines mir dem Namen nach bekannten Baggerbetrieb in unserer Nähe, drunten in Achenmühle. Zu Fuß sei man herauf gekommen und zu Fuß gehe man auch wieder heim, das Auto bleibe an solchen Abenden im Stall. Respekt, denke ich mit schlechtem Gewissen. Der Vater säße da drüben am Tisch, ob ich nicht Lust hätte, mit rüber zu kommen. Ich habe!
   Dass beide aus dem gleichen Holz geschnitzt sind, merke ich sehr bald. Was ich denn daheim trinke, werde ich gefragt, und als ich »Wein« antworte, lässt es sich der Vater nicht nehmen, davonzueilen, um solchen zu holen. Er kommt zurück und was hat er dabei? Nicht den erwarteten Schoppen, auch keine Karaffe, nein, zwei Literflaschen Moselwein.  Na, denke ich, der schätzt dich richtig ein! So saßen wir mit Dazukommenden und -gehenden bis zur Mitternacht, und es hatte sich mit der Restbläue des Himmels erfüllt, was ich Anfangs gedacht.
   Wie Vater und Sohn und die anderen auch alle, die zu Fuß hier herauf gekommen waren, [heimkamen,] habe ich noch nicht heraus bekommen. Ich hatte es nicht weit und mit einen Stock darf man auch mit fünf Promille gehen – wenn man noch kann.
   Ein Stündchen längeren Schlaf hab ich mir erlaubt nach dieser Nacht, in der ich träumte, ich hätte die beim Fest verloste Sau gewonnen und hilflos mit ihr vor meiner Wohnungstür gestanden: 
Wollte ich die Nacht doch nicht mit einer Sau teilen?

Am Morgen dann schrieb ich den Dankesbrief:
»Glück des grauen Hauptes, das einsam hinlebt,
Labsal des Alters.«

Mit diesen beiden Zeilen endet das Gedicht mit dem Titel der letzten Zeile.
   Gestern nun war ich ganz unverhofft Ihr Gast und wurde mit Wein und guten Gesprächen gelabt.
   Als Dank für diesen schönen Dorfabend auf dem Anger von Höhenmoos, mit Tanz und Musi und Menschen in ihren Trachten,
   revanchiert sich mit dem Band »Lob des Weines«

der alte Ipad-bewaffnete
Hans-Joachim Schuldt
   Für Vater und Sohn
Höhenmoos, Samstag, 16. Juni 2012

Meine Kirmes im »Volksboten« vom 15. 9. 1994 – fj