»Warst du schon mal beim Griechen«, wurde ich an einem Sonntag gefragt, nachdem in einem Vortrag so viele griechische Städte genannt waren, die ich in den Siebzigerjahren besucht hatte. Athen, Korinth, Ephesus, Delphi, usw. usw.. »Nein, sagte ich«, und wurde sogleich eingeladen zu einem Mittagmahl.
Omonia-Platz (»Omnia-Platz«) in Athen, nach 1960 (Wikipedia) |
In Athen aber, dort am Omniaplatz, da war man nach dem zweiten Besuch wie zuhaus, wurde mit einem Ouzo begrüßt, und der obligatorische griechische Salat wurde ohne vorherige Bestellung alsbald serviert, wusste man doch, dass wir ihn bestellen würden. Auch mit dem Retsinawein war es so, der nirgendwo besser schmeckt als in Griechenland.
»Akropolis« in Rosenheim. Bild aus http://www.akropolis-rosenheim.de |
Doch schon bald waren wir beim »Griechen«! – Dort bin ich nun schon seit einem halben Jahr an jedem Sonntag zum Mittagmahl. Das Restaurant heißt »Akropolis« und befindet sich in der Münchner Strasse 45 in Rosenheim, Es gehört einer Familie Zafiris, und wird auch von ihr in ihrer Gesamtheit geführt. Die Mama ist für die Küche zuständig, die Bedienung macht der Papa mit seinen beiden Söhnen.
Die umfangreiche Speisekarte wird von folgender Präambel eingeleitet: »Unsere Gäste werden wie in Griechenland üblich hervorragend bewirtet. Sie sollen sich bei uns wohl fühlen wie ein König. Dafür garantieren wir!«
So manche Präambel ziert Urkunden, ohne dem Anspruch auch in Wort und Tat gerecht zu werden. Das ist hier – und das sei ausdrücklich bemerkt – anders! Das ist keine Floskel – kein Werbetext – und verdient in allen Einzelheiten den Namen Präambel, der ja sonst nur für »Gehobenes« in Anspruch genommen werden darf.
Wer Griechenland bereist hat und das vor allem noch in Zeiten keines überschwemmenden Tourismus’, der alles nivelliert, der nicht mehr erkennen lässt, in welchem Land man sich gerade befindet, der wird bestätigen können, was in Griechenland üblich ist: Gäste werden dort so wie beschrieben behandelt. Hier im Haus hat sich das in bester Weise – und ich gebe zu, unerwarteter Weise – erhalten, hier ist man ein willkommener Gast, so bleibt das bis man gehen muss und bis zur Tür begleitet und verabschiedet wird.
Als ich mit meiner Frau in den Siebzigerjahren Griechenland mit einem VW-Campingbus bereiste, konnten wir noch fast immer unsere Speisen in der Küche auswählen, und oft boten sich dabei so viele Köstlichkeiten an, dass man mehr aß als sonst üblich, was durch die Einnahme von ein oder auch mehreren Ouzos erleichtert wurde.
Auch hier, bei meinem Griechen, hat sich dieser Brauch erhalten und den ersten davon spendiert der Wirt.
Was ich bei diesem ersten Besuch, in Gesellschaft vieler Freunde, an Vielfältigkeit und Qualität der Küche kennen lernte, entsprach durchaus dem, was ich aus Athen kannte. Ja, ein Koch, der beim weltberühmten Winkler in Aschau die Kunst des Kochens erlernte, bestätigte mir das in einem Gespräch, doch nicht nur von diesem hörte ich Lob, auch von anspruchsvollen Gästen berühmter Küchen. (Und bitte, das hier ist kein bestellter Werbetext!)
Später, bei meinen wöchentlichen Besuchen, beschränke ich mich auf die vorzügliche Gemüsesuppe, zu der ein Parmesan gereicht wird, und danach auf einen »Calamare Triton« wie man ihn so schnell nicht wieder finden wird. Dazu wird Spinat und anderes Gemüse serviert mit Kartoffeln und Reis. Das alles so reichhaltig, wie man das in feinen Nobellokalen in der umgekehrten Form kennt, wo sich die Portionen proportional mit der Höhe des Preises verringern.
Dazu kommt dann aber die Herzlichkeit der Bedienung.
Man fühlt sich nicht nur wie ein König – was fühlt der denn wohl noch im erstickenden Überfluss? Nein, man fühlt sich wohl wie bei einem guten Freund oder eben bei der Mama daheim.
Auf der Serviette kann der Gast noch folgendes lesen: »Griechenland, oder sagen wir besser Hellas – das Land der Hellenen, wie die Griechen im Altertum und in der Neuzeit sich selber nannten. Griechenland, das Land der Sonne, des Homer und des Odysseus, Griechenland, das Land der weltberühmten Weine, das ist mein Heimatland!«
Hier ist hinzu zu fügen, Griechenland, das Land mit seinen tausend Inseln, Griechenland das Land mit seinen alten Olivenbäumen, seinen Pistazien, seinen Ziegen. Griechenland als sechste Weltmacht, Griechenland als erste Demokratie, Griechenland mit seinen Philosophen und seiner Kunst.
Griechenland zur Zeit Christi und Städten, die mit den Namen der Apostel durch ihre Briefe bekannt geblieben sind, und Griechenland mit seinem Areopag, auf dem einst Paulus seine berühmt gewordene Rede an die Männer von Athen hielt, aufbewahrt in den griechischen Schriften, dem so genannten Neuen Testament. Griechenland mit einer Kultur, die ihren Einfluss, der bis in unsere gegenwärtige Zeit nie verloren gegangen ist.
Und hier bei »meinem Griechen« hat sie sich in der Kultur des Kochens, Essen und Trinkens und jener der Gastfreundschaft – und des Gesprächs – fortgesetzt. Hier ist man noch Gast einer Familie und nicht Kunde eines internationalen Konzerns. Hier erstickt man nicht in vornehmer Anonymität, hier ist man noch Mensch unter Menschen.
Zugegeben, die Griechen sind ganz anders als wir.
Zugegeben, auch ich wüsste keinen Rat zu geben, wie aus der Krise, in der das Land steckt, heraus zu kommen ist.
Beklagte doch ein älterer griechischer Mann, dass es für ihn jetzt schwieriger sei, weil ihm die Rente gekürzt worden sei. »Gekürzt«, fragte ich, »das ist doch erst geplant?« »Nein«, sagte er, »nicht meine Rente, die meiner Frau«. »Ihrer Frau? Ich denke sie sind Witwer?« – »Ja, das bin ich schon seit dreißig Jahren, jetzt aber will man mir die Rente für sie nicht mehr zahlen!«
Da sieht man, wie anders die Griechen sind. Aber ich bin mir sicher, dass es dem Mann nicht schlecht gehen wird. Ihre geschäftliche Tüchtigkeit ist legendär, kein Jude konnte da Schritt halten, nur die Armenier verstanden es noch besser, sagt man.
Wie die Griechen sind, das zeigte der Film Alexis Sorbas, nach dem Roman von Nikos Kazantzakis.
Als ein mit großem finanziellen und arbeitsintensiven Aufwand betriebenes Projekt mit einer Katastrophe und Totalverlust endete, legten die Kerle ihre Arme auf die Schultern des Anderen und begannen mit zunächst langsamen, rhythmischen Schritten den Sirkati zu tanzen, der sich im Tempo steigert bis zu überschäumender Ekstase.
Ein Foto von dieser Begegnung hängt bei unserem Griechen.
Wer je plant, nach Griechenland zu reisen oder auf eine der tausend Inseln, die in der Ägäis wie kostbare Perlen schwimmen, der sollte die Reise in Rosenheim beginnen, bei unserem Griechen und sie auch dort beenden, als Ouvertüre und Finale, als unerlässlichen Bestandteil der Harmonie.
Warum das so ist? Wir sollten von den Griechen lernen, nicht zu viele unnütze Fragen zu stellen, und !!! das Leben zu nehmen wie es ist, das aber immer positiv und lebensfroh!
Vergessen sollte man nicht eine Serviette vom Griechen mitzunehmen, 13 wichtige Redewendungen werden einen dann begleiten, von denen die eine auf unseren Griechen besonders passt »POLI OREO!« (sehr gut!).
Arminius alias Hermann in New Ulm (Quelle) |