Samstag, 29. Dezember 2012

Mond über Bozen. Blick aus dem Küchenfenster. Foto Jörn
Mondnacht auf dem Lande

Dort steht der erste Stern.
Es hört zu schneien auf
Der Mond kommt auch herauf
Wir sehn ihn gern,

Den goldnen Mann,
Der uns gefällt.
Als Wächter ist er uns bestellt.
Still geht er seine Bahn.
Die Nacht fängt an.

Die dauert lang.
Nun dreht die Uhr im Schneckengang
Die Zeiger um das Zifferblatt.
Mit dunklem Klang
Sagt jede volle Stund sich an.

Die Eul fliegt aus auf Mäusefang.
Wer liebt, hat seinen Platz gefunden.
Gesegnet, wer gut schlafen kann!

O Uhrenschlag,
O Frag und Klag
Durch viele schwarze Stunden
Bis zum weißen Tag.

   Georg Britting

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Für’s neue Jahr

Durch viele schwarzen Stunden
Im nun vergehenden Jahr,
Hat mancher sich geschunden
Und schließlich doch befunden,
Dass es ein gutes war.

So habt in gleicher Weise
für’s neue Jahr Geduld,
Das wünscht mit dieser Mondnacht
euch euer
   Hans-Joachim Schuldt.

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Wenn wir schon dabei sind. Die bekannteste Mondnacht ist, wenn überhaupt, die Eichendorffs. Doch wozu Mond zum Jahreswechsel? Raketen und frohe Gedanken, Glück zu leben, zu erleben, da zu sein, noch, in dieser gar nicht so schlechten Welt. Ob im Himmel alles besser ist? Egal: Das sehen wir später. Fritz Jörn

– So konnte das wohl nicht stehen bleiben. Es folgen also »mailwendend« Postsribenden vom Autor.

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Ich kenne bessere Mondgedichte – nicht nur von Britting!
   Aber vielleicht muss man noch ein wenig an der »Romantik« hängen. Dafür bin ich zu jung!
Zum »Wozu« ein Brittingsches Mondgedicht als Antwort:

Der Mond

Auch wenn er,
Immer zu seiner Frist,
Rund und voll ist, der Mond,
Und das nimmt er genau,
So genau, dass man die Zeit danach misst,
Ist er nicht immer gleich groß.
 

Wenn ein dunstiger Tag sich senkt, da,
Über die Waldschlucht, steigt er herauf,
Riesig und nah,
Rötlich dämmernd, und deckt
Das halbe Himmelsgewölb.
Und der Hirsch, der im Tann sich versteckt
Hielt, tritt hervor, friedlich beglänzt,
Und neigt
Äsend das Haupt.


Aber wenn er im kalten Winter sich zeigt,
Ist er klein und weiß,
Wie eine Lampe aus Eis
Hoch in die frierende Bläue gestellt.
Furchtlos durchwandert sein Licht
Die fremden Bereiche
Der oberen Welt.
 

Und ist doch immer der gleiche,
Der unsere Nächte erhellt,
Und uns und unseren Vätern
Seit tausend Jahren gefällt.
Das tut er wohl auch noch den Spätern.


Soweit der Dichter. Unzeitgemäß schön empfinden wir Heutige das Gedicht, jedenfalls gewisse Stellen mit im Tann sich versteckenden Hirschen. Das Stich- und Reizwort »Romantik« hatte sogar Hans-Joachim Schuldt in Anführungszeichen gesetzt. Was tut’s: Nehmen wir uns heraus, was uns gefällt, wir »Spätern«. fj

Und zur »gar nicht so schlechten Welt!« – In der Tat, schlechter ist sie kaum vorstellbar! Ob es im Himmel besser ist, kann nur beantworten, wer schon einmal hinein geschaut hat und überhaupt weiß, welchen Himmel er meint. Der unseres Mondes ist fast irdisch, und hätten wir ihn nicht, diesen Mond, unsere Erde würde taumeln, mehr als so mancher nach der Silvesternacht. (Das ist was für Pysiker!)
   Muss man ihn nicht loben, den alten Mond – auch und gerade – in einer Mondnacht des Jahreswechsels?
Das erwähnte »Glück zu leben und gute Gedanken«, sind der Anlass zu diesen Zeilen. Und der Wunsch, solche Gedanken mit Ihnen noch lange teilen zu können – Ihr alter Hans-Joachim Schuldt


Wie bei jeder Erwiderung hat stets die Redaktion die Möglichkeit des letzten Wortes. Ich nutze das, respektlos vor Alter (93 vs. 71) und Autor (Britting-Kenner vs. Elektrotechniker).
   Und bleibe dabei, dass die heutige Welt (über die auch ich gern schimpfe …), jedenfalls für uns hier, eine sehr schöne, sehr gute, noch nie so gut dagewesene ist. Die Empfindung ist subjektiv, Beispiele sind kein Beweis, also rate ich einfach nur, sie einfach einmal so gut zu sehen. Dem Blick öffnet sich dann eine weite Flur des Glückes.
   Übrigens taumelt die Erde tatsächlich ein wenig, des Mondes halber, wie ein Tänzer, der statt einer einsamen Pirouette Ringelreihen tanzt mit einem kleinen Mädchen. Ohne etwas Taumel geht das nicht, wenn sich zwei Massen zusammen drehen. Wichtiger sind alle anderen Mondwirkungen auf die Erde, hier in der Wikipedia gut nachzulesen. fj 

Ach, lieber Herr Jörn, verzeihen Sie Ihrem all zu jugendlichem Freund, dass sein Herz voll ist und der Emails gar viele! So kann ich es nicht lassen, zum Thema des Vergänglichen, das ja der wesentliche Inhalt von Eichendorffs Mondscheingedicht ist, Ihnen »Nänie« von Friedrich Schiller zu schicken, das mich vom Stuhl reißt, wenn ich es in den schönsten Hexametern laut lese! Ich möchte ja nicht falsch verstanden werden mit meinem kühnen Wort, dass es bessere »flügelausbreitende und seelenwandernde« (oh, mir wir übel!) traueranzeigenrelevanteste Mondgedichte als das von Ihnen genannte gibt – so absolut nicht mit dem Brittingschen konvertierenden!
 

Nänie
 

Auch das Schöne muss sterben! Das Menschen und Götter bezwinget,
Nicht die eherne Brust rührt es des stygischen Zeus.
Einmal nur erweichte die Liebe den Schattenbeherrscher,
Und an der Schwelle noch, streng, rief er zurück sein Geschenk.
Nicht stillt Aphrodite dem schönen Knaben die Wunde,
Die in den zierlichen Leib grausam der Eber geritzt.
Nicht errettet den göttlichen Held die unsterbliche Mutter,
Wann er, am skäischen Tor fallend, sein Schicksal erfüllt.
Aber sie steigt aus dem Meer mit allen Töchtern des Nereus,
Und die Klage hebt an um den verherrlichten Sohn.
Siehe! Da weinen die Götter, es weinen die Göttinen alle,
Dass das Schöne vergeht, dass das Vollkommene stirbt.
Auch ein Klaglied zu sein im Mund der Geliebten, ist herrlich,
Denn das Gemeine geht klanglos zum Orkus hinab.
 

Auch Schiller musste früh sterben. »Wen die Götter lieben, lassen sie jung sterben!« Dass ich noch lebe, ist ein Beweis, mich liebten die Götter nie! Aber was für ein Gedicht ist das!
   Es grüßt Sie Ihr enthusiastischer, noch himmelwärts stürmen könnender junger Hans-Joachim Schuldt 

Dienstag, 18. Dezember 2012

Hilf Himmel, die Navi!

Liebe, treue Frau Ixypsilon,
   es ist schon ein sehr seltenes Ereignis, von dem, was man früher Post genannt hatte, heutzutage einen schönen handgeschriebenen Brief zu erhalten, mit einer Marke darauf: »alleinerziehende Mutter mit Kind!« – Sondermarke »sixtinische Madonna«. (So »alleinerziehend« war sie gar nicht, obwohl sie bei Raffael jung und traurig aussieht – das Bild ist klickbar. Adoptivvater Joseph hat sicher tüchtig geholfen, auf der Flucht. Er ist übrigens nicht der alte Herr links im Bild. – fj)
Begeistert sehen die beiden nicht aus. Foto Wikipedia
   Doch o weh, es fehlt die Frau, die solche meisterhafte, feine Handschrift lesen könnte. Eine starke Lupe muss sie ersetzen; sie tut es auch, und ich lese mit Vergnügen Ihre zarte, schöne Schrift! Und aus den schön geschwungenen Zeilen fließt ein goldner Strom von Wärme, wie es das gedruckte Wort nicht vermitteln kann. Die Atmosphäre der Stube wird spürbar, in der wir einst Ihre Gastfreundschaft genossen, und aus der Küche strömt ein erwartungsvoller Duft! Ihr Mann hat längst ein Glas vom besten seiner auserwählten Weine kredenzt und weiß das Gewicht der Gespräche zu bestimmen. Wir sehen uns an und fühlen uns wohl!
   Wie in Brittings Gedicht »Vor dem Gewitter«, darf in allem auch etwas Bitteres sein, in Ihrem Brief das Schicksal Ihres Schwagers.
   Wenn der Kopf versagt, ist es besser man stirbt – das habe ich leidvoll erfahren und ertragen müssen bei meiner lieben Frau. Sie kommen doch alle wieder! Der Bauplan eines jeden Menschen ist bis in alles Einzelheiten in einer genetischen Datenbank gespeichert (ja, jedes Haar auf deinem Haupt ist gezählt! – Lk 12,7Lk 21,18), in einem verächtlich Lappen genannten Abfallprodukt unserer Zellkerne, Kerne, die zusammen eine technische Leistung vollbringen, die alles an unserer technisch so fortgeschrittenen Zeit weit in den Schatten stellen.
   »Das Zeug verbrennt oder verfault, je nachdem, wie wir uns begraben lassen«, sagte mir vor einigen Tagen ein sehr gebildeter Säkularisierter.
   Schon tönte aus seinem Auto-Lautsprecher die Warnung: »Halten Sie sich in der rechten Spur und verlassen Sie nach fünfhundert Metern die Autobahn, wir führen Sie mit einer Umleitung um ein gesperrtes Autobahnstück.« Nach zwanzig Minuten wurden wir wieder sicher auf die Autobahn zurückgeleitet. »Sehen Sie«, sagte er etwas hochmütig, »auf so was kann man sich verlassen!« Ich gebe es zu.
   Ich war sprachlos und konnte mir das beim besten Willen nicht erklären. Also fragte ich schließlich: »Woher wissen die denn so genau, wo wir sind?» – »Vom Himmi drob’n«, sagte der unfromme Mann und zeigte mit dem Daumen in die entsprechende Richtung. Ich staunte noch mehr! »Und das alles ohne auch nur einen einzigen Draht?«, fragte ich weiter. »Na ja, da kreisen im Himmel halt so Dinger umeinander, die sehen uns!« »Ja, sind das denn Engel?«, wollte ich wissen, wird doch immer gesagt, Gott sieht alles. Ich erhielt aber nur ein missmutiges langgezognes: »Naaa! – Sant Satelliten, die schiessan’ s in Himmi eini, und dena müssma sag’n, wohin wir woll’n.«
   Aus dem Lautsprecher ertönt wieder die Stimme: »Sie sind vom Wege abgekommen. Bitte folgen sie unseren Anweisungen!« 
   »Da legst di nieder«, denk ich (Denken kann ich schon etwas Bayrisch, reden weniger – fj), »nicht amal vom Weg abweichen derf man bei dena«. Wenn’s nun aber um die drahtlose Übertragung von ein paar Daten zu Satelliten anderer Bauart als der menschlichen geht,  hört’s Glauben auf einmal auf. Das versteh’ ein anderer!
   Kurz vor Salzburg erreichte uns die Nachricht: »Schlechter Satellitenempfang durch kosmische Störungen«, was von meinem Freund mit dem zum bayerischen Hochdeutsch gehörenden Satz »da leckst mi am Arsch« quittiert wurde. (Politisch korrekt wäre gewesen: »Da legst’ di nieder!« – fj).
   Wir kamen trotzdem an! Aber von Engeln und solchen Quatsch wollte mein Freund an diesem Abend nichts mehr hören. Er hatte sein Navi abgestellt und einen »Engel« im Visier.
   Nun, ich merke schon, das wird kein Weihnachtsbrief! Solche schreibe ich ja auch nicht. Aber ist nicht die Hoffnung, Verstorbene wieder zu sehen, durch das Gesagte ein wenig bekräftigt worden?
   Für mich hat diese Botschaft etwas außerordentlich Tröstliches, zumal wir die Verstorbenen in dem Zustand wieder sehen werden, der ihrem Höhepunkt entspricht, und das dazu noch in einer richtigen Welt. Da wird sich erfüllt haben, was Jesaja prophezeite. Es wird eine Welt kommen, um die die Christen so lange gebetet hatten, eine, in der wir den Krieg nicht mehr lernen und unsere Schwerter endlich zu Pflugscharen umgeschmiedet haben werden. (Der populäre Passus: »Sie werden den Krieg nicht mehr lernen« geht auf einige Übersetzungen des Endes von Jes. 2,4 zurück: »Man … übt nicht mehr für den Krieg«, »… sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen«)

Sie fragen, wie es mir geht, liebe Frau Ixypsilon. Mir geht es sehr gut, jedoch liege ich mit einer Erkältung im Bett und diktiere diese Zeilen meinem Ipad. (Darum hat auch der kleine Redakteur hier so viel zurechtzufummeln. – fj.) Das aber ist kein Grund zur Klage (gewiss nicht!)! Mein Geist ist jung, der Körper verschlissen und alt, wird aber so ertragen und leistet immer noch das Notwendige und teilweise sogar mehr! Was ich nach dem Tod meiner Frau alles erlebt habe und erlebe, klingt wie ein Märchenbuch, wäre es aufgeschrieben. Sie, die Sie sich darum Sorgen machten, wären glücklich und würden sagen, was in einer militärischen Beurteilung über mich einmal geschrieben wurde: »Schuldt weiß sich in jeder Lebenssituation zu helfen!«
   Jetzt werde ich von meinem Bett aus drahtlos einen Befehl an meinen Fax-Drucker schicken. Nur konventionelle Briefe falten und kuvertieren kann er noch nicht. Trotzdem wird die Nachricht schon bald gedruckt (gefaxt) auf Ihrem Tisch liegen.
   »So a Schmarrn, so an saudamischer«, würde mein Freund nun sagen, wären wir hundert Jahre jünger!
   Es grüßt ganz herzlich
Ihr alter Hans-Joachim Schuldt

Und hier meldet sich postscribendo der Redakteur, seinerseits Techniker und andererseits des Oberbayrischen mächtig. 
   Also die Navigationsatelliten des GPS, Global Positioning System, strahlen ganz genaue – und ganz schwache Orts- und Zeitsignale aus: ihren Ort, ihre Zeit. Mehr tun sie nicht. Sie führen uns nicht, sie steuern uns nicht. Da hätten’s viel zu tun! Sie funken bloß, wie die Sternlein funkeln. Das Navigationssystem (»Navi«) im Auto trianguliert sich aus den Satellitensignalen seinen genauen Ort, misst sozusagen den Abstand von jedem Satelliten und zeichnet sich danach auf seiner gespeicherten Landkarte ein. Die Navigationsgeräte funken nicht, schon gar nicht gen Himmel. Für die Ortung gilt: Satellit passiv, Navi aktiv am Rechnen.
   Manch einer meint, mit dem lieben Gott sei’s ebenso. Der funkt nur ganz leise; und eingreifen hernieden, das tut er gar nicht, oder? Was der Mensch draus macht, ist seine Sache. Vor allem seine Vorstellung vom Himmel, die schwankt, d.h. variiert. Schwanken tut sie auch, weil immer weniger daran glauben. Doch da will ich mich jetzt nicht einmischen. 
   Bloß des: »Damisch« nennt man etwas Verrücktes, nicht hingegen rein Erstaunliches. Ein Schmarren – ein Dysphemismus – ist es nicht, wenn einer vom Krankenbett aus faxen kann, und nicht bloß solche machen. Also ist’s auch nicht damisch. Situationsgerechter möchte wohl wieder das »Da legst di nieder« sein, als Ausdruck reinen, ungläubigen Staunens.

Samstag, 8. Dezember 2012

Rhein in Bonn, 7. 12. 12 (Foto Jörn)
Kleiner Kommentar:
»Am nächsten Tag mag’s schneien,
und dann am übernächsten
die Sonne wieder scheinen!«
 

Dezembermorgen

Nun endlich ist es Morgen –
Des Nebels graue Schleier
Verhüllen nicht die Sorgen,
Und auch die dünne Decke
Des neuen Schnees verbirgt sie nicht.

Weiß - aus den Kaminen - steigt der Rauch, Verschwimmt im Grau des Himmels.
Und in den warmen Stuben
- so will es auch der Brauch -
Bereitet man sich vor
Zu einem Fest,
Das seinen Sinn schon lang verlor.

Die Tage sind nur kurz
Und eh man sich versieht,
Bricht an die Nacht.
Was wohl am nächsten Tag geschieht? —
Ach, denkt nicht dran!
Genieß den Tag, den kurzen
Und sage für ihn Dank!

                          Hans-Joachim Schuldt