es ist schon ein sehr seltenes Ereignis, von dem, was man früher Post genannt hatte, heutzutage einen schönen handgeschriebenen Brief zu erhalten, mit einer Marke darauf: »alleinerziehende Mutter mit Kind!« – Sondermarke »sixtinische Madonna«. (So »alleinerziehend« war sie gar nicht, obwohl sie bei Raffael jung und traurig aussieht – das Bild ist klickbar. Adoptivvater Joseph hat sicher tüchtig geholfen, auf der Flucht. Er ist übrigens nicht der alte Herr links im Bild. – fj)
Begeistert sehen die beiden nicht aus. Foto Wikipedia |
Wie in Brittings Gedicht »Vor dem Gewitter«, darf in allem auch etwas Bitteres sein, in Ihrem Brief das Schicksal Ihres Schwagers.
Wenn der Kopf versagt, ist es besser man stirbt – das habe ich leidvoll erfahren und ertragen müssen bei meiner lieben Frau. Sie kommen doch alle wieder! Der Bauplan eines jeden Menschen ist bis in alles Einzelheiten in einer genetischen Datenbank gespeichert (ja, jedes Haar auf deinem Haupt ist gezählt! – Lk 12,7, Lk 21,18), in einem verächtlich Lappen genannten Abfallprodukt unserer Zellkerne, Kerne, die zusammen eine technische Leistung vollbringen, die alles an unserer technisch so fortgeschrittenen Zeit weit in den Schatten stellen.
»Das Zeug verbrennt oder verfault, je nachdem, wie wir uns begraben lassen«, sagte mir vor einigen Tagen ein sehr gebildeter Säkularisierter.
Schon tönte aus seinem Auto-Lautsprecher die Warnung: »Halten Sie sich in der rechten Spur und verlassen Sie nach fünfhundert Metern die Autobahn, wir führen Sie mit einer Umleitung um ein gesperrtes Autobahnstück.« Nach zwanzig Minuten wurden wir wieder sicher auf die Autobahn zurückgeleitet. »Sehen Sie«, sagte er etwas hochmütig, »auf so was kann man sich verlassen!« Ich gebe es zu.
Ich war sprachlos und konnte mir das beim besten Willen nicht erklären. Also fragte ich schließlich: »Woher wissen die denn so genau, wo wir sind?» – »Vom Himmi drob’n«, sagte der unfromme Mann und zeigte mit dem Daumen in die entsprechende Richtung. Ich staunte noch mehr! »Und das alles ohne auch nur einen einzigen Draht?«, fragte ich weiter. »Na ja, da kreisen im Himmel halt so Dinger umeinander, die sehen uns!« »Ja, sind das denn Engel?«, wollte ich wissen, wird doch immer gesagt, Gott sieht alles. Ich erhielt aber nur ein missmutiges langgezognes: »Naaa! – Sant Satelliten, die schiessan’ s in Himmi eini, und dena müssma sag’n, wohin wir woll’n.«
Aus dem Lautsprecher ertönt wieder die Stimme: »Sie sind vom Wege abgekommen. Bitte folgen sie unseren Anweisungen!«
»Da legst di nieder«, denk ich (Denken kann ich schon etwas Bayrisch, reden weniger – fj), »nicht amal vom Weg abweichen derf man bei dena«. Wenn’s nun aber um die drahtlose Übertragung von ein paar Daten zu Satelliten anderer Bauart als der menschlichen geht, hört’s Glauben auf einmal auf. Das versteh’ ein anderer!
Kurz vor Salzburg erreichte uns die Nachricht: »Schlechter Satellitenempfang durch kosmische Störungen«, was von meinem Freund mit dem zum bayerischen Hochdeutsch gehörenden Satz »da leckst mi am Arsch« quittiert wurde. (Politisch korrekt wäre gewesen: »Da legst’ di nieder!« – fj).
Wir kamen trotzdem an! Aber von Engeln und solchen Quatsch wollte mein Freund an diesem Abend nichts mehr hören. Er hatte sein Navi abgestellt und einen »Engel« im Visier.
Nun, ich merke schon, das wird kein Weihnachtsbrief! Solche schreibe ich ja auch nicht. Aber ist nicht die Hoffnung, Verstorbene wieder zu sehen, durch das Gesagte ein wenig bekräftigt worden?
Für mich hat diese Botschaft etwas außerordentlich Tröstliches, zumal wir die Verstorbenen in dem Zustand wieder sehen werden, der ihrem Höhepunkt entspricht, und das dazu noch in einer richtigen Welt. Da wird sich erfüllt haben, was Jesaja prophezeite. Es wird eine Welt kommen, um die die Christen so lange gebetet hatten, eine, in der wir den Krieg nicht mehr lernen und unsere Schwerter endlich zu Pflugscharen umgeschmiedet haben werden. (Der populäre Passus: »Sie werden den Krieg nicht mehr lernen« geht auf einige Übersetzungen des Endes von Jes. 2,4 zurück: »Man … übt nicht mehr für den Krieg«, »… sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen«)
Sie fragen, wie es mir geht, liebe Frau Ixypsilon. Mir geht es sehr gut, jedoch liege ich mit einer Erkältung im Bett und diktiere diese Zeilen meinem Ipad. (Darum hat auch der kleine Redakteur hier so viel zurechtzufummeln. – fj.) Das aber ist kein Grund zur Klage (gewiss nicht!)! Mein Geist ist jung, der Körper verschlissen und alt, wird aber so ertragen und leistet immer noch das Notwendige und teilweise sogar mehr! Was ich nach dem Tod meiner Frau alles erlebt habe und erlebe, klingt wie ein Märchenbuch, wäre es aufgeschrieben. Sie, die Sie sich darum Sorgen machten, wären glücklich und würden sagen, was in einer militärischen Beurteilung über mich einmal geschrieben wurde: »Schuldt weiß sich in jeder Lebenssituation zu helfen!«
Jetzt werde ich von meinem Bett aus drahtlos einen Befehl an meinen Fax-Drucker schicken. Nur konventionelle Briefe falten und kuvertieren kann er noch nicht. Trotzdem wird die Nachricht schon bald gedruckt (gefaxt) auf Ihrem Tisch liegen.
»So a Schmarrn, so an saudamischer«, würde mein Freund nun sagen, wären wir hundert Jahre jünger!
Es grüßt ganz herzlich
Ihr alter Hans-Joachim Schuldt
Und hier meldet sich postscribendo der Redakteur, seinerseits Techniker und andererseits des Oberbayrischen mächtig.
Also die Navigationsatelliten des GPS, Global Positioning System, strahlen ganz genaue – und ganz schwache Orts- und Zeitsignale aus: ihren Ort, ihre Zeit. Mehr tun sie nicht. Sie führen uns nicht, sie steuern uns nicht. Da hätten’s viel zu tun! Sie funken bloß, wie die Sternlein funkeln. Das Navigationssystem (»Navi«) im Auto trianguliert sich aus den Satellitensignalen seinen genauen Ort, misst sozusagen den Abstand von jedem Satelliten und zeichnet sich danach auf seiner gespeicherten Landkarte ein. Die Navigationsgeräte funken nicht, schon gar nicht gen Himmel. Für die Ortung gilt: Satellit passiv, Navi aktiv am Rechnen.
Manch einer meint, mit dem lieben Gott sei’s ebenso. Der funkt nur ganz leise; und eingreifen hernieden, das tut er gar nicht, oder? Was der Mensch draus macht, ist seine Sache. Vor allem seine Vorstellung vom Himmel, die schwankt, d.h. variiert. Schwanken tut sie auch, weil immer weniger daran glauben. Doch da will ich mich jetzt nicht einmischen.
Bloß des: »Damisch« nennt man etwas Verrücktes, nicht hingegen rein Erstaunliches. Ein Schmarren – ein Dysphemismus – ist es nicht, wenn einer vom Krankenbett aus faxen kann, und nicht bloß solche machen. Also ist’s auch nicht damisch. Situationsgerechter möchte wohl wieder das »Da legst di nieder« sein, als Ausdruck reinen, ungläubigen Staunens.