Ländliche Idylle (Diorama im Deutschen Museum). Foto Jörn |
– leider etwas spät wegen säumiger Redaktion …
Alle, die Ihr mich umgabt im alten Jahr – oder mir auch nur kurz begegnet sein möget,
das Jahr 2012 reiht sich ein in den Strom vergangener Jahre.
Beim Übergang vom alten zum neuen Jahr werden viele Menschen das Neue mit Böllerschüssen, Wein und Tanz begrüßen, als würde es das lang ersehnte werden, das alle Wünsche erfüllt – das Alte wird darunter begraben, obwohl es noch alle Finger ausstreckt, um uns einen Moment nur festzuhalten, um uns zu sagen, wer von uns gegangen ist, um uns zu ermahnen, nicht länger die Augen zu verschließen und uns einfach dem Strom der Zeit hinzugeben, um uns aber auch an glückliche Stunden zu erinnern, die es uns schenkte. »C’est la vie«, sagt man, vermeintlich Unabänderliches hinnehmend, oder gar um mit »nach uns die Sintflut« vergnügt zur Guillotine zu schreiten, wie es zu Zeiten der französischen Revolution geschah. Das bisschen Leben ein Dreck!
Hoppla – ein Kopf!
Wie viele Jahre stand ich um Mitternacht mit meiner Frau auf unserem oberen Balkon, der den Blick frei gibt über das weit gespannte Inntal mit dem Wendelstein als westlichen Abschluss und der Stadt Rosenheim mit seinen tausend Lichtern im Kontrast zur dunklen Kette der Chiemgauer Alpen. Wie oft mag jeder von uns beiden sich gefragt haben – je älter wir wurden – »ist es ein letztes Mal?« – 2011 war es das. Da stand ich dort alleine – Gäste hatte ich nicht – und hielt es auch nicht lange aus.
2012 ist das erste volle Kalenderjahr ohne sie. Ohne die ich mir mein Leben nicht vorstellen konnte und wollte! Selbst schon 92 durchlebte Jahre auf den gebeugten Schultern, mit wieviel Vergangenheit beladen, was einmal schillernde Zukunft war und all zu oft doch nur Enttäuschung war über das, was in der Welt geschah.
In nur wenigen Tagen werde ich wieder alleine dort oben stehen. Der alte vertraute Mond und die tröstlichen Sterne werden noch bei mir sein. Die Mitbewohner des Hauses, zwei Generationen jünger und Kinder im Garten, den ich einst pflegte; man wird »Prosit Neujahr« zu dem Alten da oben hinauf rufen, meinen stummen Gruß wird man nicht hören. Meine Bäume, die ich einst pflanzte, werden meine Gefährten sein, mein Nussbaum, der sich nun schon weit über den Giebel des Hauses erhebt und beim silbernen Mondlicht schwarze Schatten in den Schnee zeichnet, meine Zaubernuss, die mit ihren nicht abgeworfenen Blättern die Blütenansätze schützt, um schon in zwei Monaten die ersten Blüten des neuen Jahres zeigen wird, mein Tulpenbaum, dem die Spitze abgesägt wurde, für Hackschnitzel, wird mich fragend ansehen. Der Igel unter dem Schuppen wird sich vom Lärm der Menschen in seinem Winterschlaf nicht stören lassen. Und ganz weit im Westen – noch weit hintern Irschenberg – da leuchtet München, einst Glanzpunkt im Leben einer jungen Schauspielerin, einst auch Wohnsitz von mir, der ich sie geheiratet hatte, nachdem sie ihren ersten Mann verlor.
Dort gibt es einen Friedhof mit dem Grab von Georg Britting – ihrem ersten Mann –, dort liegt nun ihre Asche, dort habe ich sie begraben, sie, mit der ich nun schon so lange nicht mehr zusammen lebe.
An sie (nicht an ihre Asche und das Grab) werde ich denken und ihr bei einem mir von meiner Freundin Marion geschenkten Rotwein aus der Toskana, »Leonardo« geheißen, in Lettern, wie schon so oft, Erstaunliches erzählen, von einem Jahr, das alles andere als traurig war.
Zu dem Erstaunlichen, das alles zu erzählen ich wohl nicht kommen werde, weil die Geschichte zu lang wäre, zu viele Kapitel hätte, mit hunderten Facetten, mit zu vielen Lettern, hinter deren jeder sich all zu viel verbirgt, Storys – und vor allem Menschen, die mich umgaben und sei es nur mit der heute gemachten Frage, als ich nach vierzehntägiger Erkrankung wieder zum Mittagessen in meiner Post war – und nicht nur von einer der mich alle kennenden Bedienerinnen – »Wir haben sie vermisst« und dergleichen mehr, gesagt bekam.
Ja, selbst die gebratene Ente, die mir zum zweiten Feiertag am Abend serviert werden sollte – und eine »Ente« blieb – wurde mir heut serviert, knusprig braun – als Abendessen für 5,25 Euro – von meinem Barockengel Petra, dem fülligen, goldgelockten – mit einem Lächeln!
Nehm’ – wer sich vermisst fühlt – sie als Symbol.
Ich sage Euch allen – ja, wirklich allen! – meinen tiefen Dank, einen Dank, der mich sehr glücklich – und mehr noch! – macht!
Euer Hans-Joachim Schuldt, Euer Hans, Euer Bruder Hans
oder was ich jedem noch sonst sein könnte, bleibe ich Euer Euch am Ende des Jahres mit Dank und den besten Wünschen Gedenkender!