Donnerstag, 14. Juni 2012

»Herr, ist dieses Leben schön!«, sagte meine Frau manchmal , mit einer Betonung, wie sie nur Schauspielern möglich ist.
 

Abendliches
 

Heut bin ich aus meiner Post geflohen. Es war mir zu laut und zu warm. Was tun? Daheim habe ich keinen Wein, jedenfalls nicht in der mir genehmen Temperatur. 
   Am Dorfanfang, nahe der Autobahn, gibt es ein kleines Hotel mit Restaurant namens Christl. Noch nie war ich dort. »Schau doch mal rein«, denk ich mir, packe mein Ipad untern Arm und fahre hin. Parkplatz vor der Tür, das ist schon mal angenehm. Zwei Schilder, Eingang zur Terrasse, Eingang zum Restaurant zeigen in verschiedne Richtungen. Ich folge dem zum Restaurant. Man schaut den alten Mann mit Stock und Ipad musternd an, »den kennen wir doch nicht« ist den Blicken zu entnehmen. »Die werden dich schon kennen lernen«, denk ich und suche mir einen stillen Platz. 
   So sitze ich in einer Ecke, schaue links in einen schönen Garten, in dem auch Gästetische stehn. Rechts geht der Blick auf den Parkplatz. Mein Nissan steht zehn Meter von mir entfernt; bis dahin schaff ichs immer noch, den Rest macht er, kennt er doch seinen Stall.
   Der Tisch ist eindeckt und gut beleuchtet, die Einrichtung sachlich, die Wände holzgetäfelt, die Atmosphäre gut. Bald wird die Speisekarte gereicht. Alles solide und den Preisen der Post angepasst. Ich bestelle Spargel mit Sauce hollandaise (bald ist die Spargelsaison vorbei, da gilt es sie noch zu nutzen!) 

   Der Spargel ist gut geschält und zubereitet, die Portion keinesfalls zu klein. Siebzig Cent weniger als in der Post. Das ist klug, der Preis eher niedrig, Mehr bekommt man hier halt nicht. Wer mehr ausgeben will und dafür weniger erhält, der muss zum Karner gehen oder zum noch teueren Winkler nach Aschau. Ich bestelle noch ein Dessert, Erdbeeren mit Eis, auch das solide. Jetzt habe ich, da es mir hier gefällt, noch einen grünen Veltliner bestellt.
   Die Gäste hier: gut bürgerlich, darunter wohl ein paar Handelsvertreter, die die Nähe der Autobahn schätzen und die Preise.
   Hier werde ich wohl nicht das letzte Mal sein, denke ich mir, und trinke meinen Abendwein.
   Noch ist meine E-Mail mit diesem Inhalt ohne Empfänger; ich schicke sie erst einmal an mich. Ob ich dann antworten muss? Was sagt man so einem alten verschwenderischen Mann, der seinem Nissan zumutet, ihn heim zu bringen?
 

»Die Venus heiratet heut die Sonne«, mailte mir eine Freundin, die dem Akt zuschauen wollte. Kann ja auch sein, dass sich die beiden schamvoll hinter Wolkendecken verbargen? Die Venus und die Sonne lese ich, und denke, das kann nur auf Lesbos, jener schönen, in Verruf gekommenen Insel geschehen. Viel raus kommen kann ja dabei nicht! Zum Glück für uns, es würde uns wohl doch zu heiß, obwohl das ja seit der Monroe manche mögen. Passend war hier doch auch der unvergessene Schluss “nobody is perfect!”.




Der Wein wird zu warm, ich muss etwas schneller trinken und einen kühleren bestellen. 
   Was sagte wohl jetzt meine Ärztin, die nicht eimal nippen wollte vom guten Tegernseer Bier heute Mittag in Wildenwart? Doch werde ich ihr nicht den Gefallen tun sie »zu besuchen«. Hab ich mir doch all zu gut erklären lassen, wo man sägt und feilt und wie man näht. Nee, den Gefallen tue ich ihr nicht, lieber führe ich sie noch einmal aus, wenn sie es denn will mit so einem ollen Mann. Ich mag sie. Sie ist keine Frau des schnellen Wortes sondern der Tat. Tat? Welcher Art? Der Art der Nächstenliebe mit dem Einsatz ihres Könnens und Wissens – und mit ihrem verborgenen Herz. Am liebsten hätte ich sie jetzt neben mir, nur für ein noch zu findendes Wort, das ihr bekommt; denn das können Worte, sogar gedachte!
   Ach ja, ich vergaß zu sagen, dass zwei Rosen auf neunen Tisch stehen, Echte, schon aufgeblühte, zart rosa, »passt das zu deiner Frau?« frage ich mich. »Ja und nein«, ist meine Antwort; war sie doch eher eine Anemone, wie sie die Länggässer beschrieb. Ach nein, sie [meine Frau] konnte alles sein und alles immer wahrhaftig, denn das war sie!
   Sähe sie mich, so wie ich jetzt lebe, sie wäre glücklich, so wie ich es erst wieder sein werde, wenn wir uns wiedersehen, ein jeder frei, denn der Tod scheidet! Schon jetzt werbe ich um sie und hoffe, daß sie mich erhört.
   Ein wenig verrückt für einen alten Mann? Ja, wer sagt denn, dass ich das bin? Hat man die Wahl, zwischen verrückt oder alt? Oder beidem?


PS. Ein wenig größenwahnsinnig ist sie ja schon, die Venus; so ein Floh – nur ein kleiner schwarzer Punkt – will mit der Sonne sich paaren? Wer nur hat sich sowas ausgedacht? Der Mensch – selber nur Flöhchen auf dem Floh Erde! Es ist zum Flöhn!
   Habs gut überschlafen, schwarze Punkte habe ich doch selber genug, nur schaut sich diese Gott sei Dank niemand mit Periskopen nächtlich an; man hätte auch kein Glück, weiß ich sie doch zu verbergen.
   « O sole mio », singe ich nun und freue mich, dass sie nach einer so anstrengenden Nacht noch ein paar wärmende Strahlen für uns übrig gelassen hat.  


Dazu meint der eifrige Redakteur: Der »Venustransit« wäre auch passiert, wenn auf der Erde nur Marsmenschen wohnten. »Sole mio« ohne Sänger hingegen, das gäb’s nicht … fj