Dienstag, 17. April 2018

Eiswein

Eine Sprachübung
Von Hans-Joachim Schuldt, 4. März 1920 – 19. März 2018,  posthum also

Foto Jörn
Ich sei eine Spätlese, behauptete ein sonst wohlmeinender Freund, der mich besucht hatte.
   E
r ist einer von jenen, mit denen man vortrefflich und auf ordentlich gehobenen Niveau streiten kann und sich versöhnen. Wobei ich immer das Gefühl habe, am Ende wird er
zu guter Letzt recht behalten haben – oder keiner von uns, sonst wer oder ein anderer. 
   Bis dahin »bedarf es oft eines langen Kampfes«, gespreizt gesprochen, ein wenig weinselig, bereits und doch voll heißlaufender Kampfeslust trotz gekühlter Temperierung. Also das alles vollzieht sich nicht im hitzigen Gefecht – was nicht ausschließt, daß*) die Wogen auch mal Schaumkronen tragen. Aber wie bei Ebbe und Flut fließt das brandende Wasser unterdessen unter diesen wieder glatt und mäßigend zurück. Oder irgendwie so.
   Jetzt aber, nach dem Spätleseanwurf, galt es ihm zu widersprechen: 
   »Eine Spätlese, mein lieber Freund, die bin ich nicht, da irrst du ganz gewaltig – wie kommst’n auf so eine Idee?« 
   »Das ist doch ganz einfach«, sagt’r, »bedenke: ›In Vino Veritas‹, du hast sie (wen oder was frag’ ich mich) spät gefunden, und so bist du eben eine Spätlese.« 
   »Aber, mein Lieber, Veritas liegt nicht nur in einer Spätlese, sondern auch in allen anderen Stadien und Prädikaten«, gab ich zu bedenken, etwas vage zwar, aber doch. 
   Bis er dann sagte: »Aber ein ›Heuriger‹ bist du doch nun wirklich nicht!«.  
   Dem habe ich dann zugestimmt, aber mit dem Hinweis, daß das auch für den der Veritasspruch gilt. 
   Wir hatten nun alle Prädikate von Kabinett, Spätlese, Auslese, Beerenauslese, Trockenbeerenauslese bis zum Eiswein für einen passenderen Begriff für meine Person durchkostet (bittesehr: symbolisch nur) und hatten uns dabei angehört, was Georg Britting in seinem »Lob des Weines« zum Thema zu sagen wußte, und das soll allhier nicht verschwiegen bleiben, weinselig oder schon beduselt..

Weißer Wein, der unruhig übers Glas drängt, 
Perlend wie der Wortschwall der Mädchen, wenn sie 
Aug’ in Auge mit dem Ersehnten ihre 
Liebe verbergen,

Honigfarbner, koboldisch glühend, wenn der 
Taumel rast bei Hochzeit und Taufe, mondschein- 
Gelber, zarter, voll von Empfindung wie der 
Vers eines Dichters,

Und der grüne, Hoffnungen weckend, grün wie 
Morgenduft des kommenden Freudentages, 
Ist der rechte Trunk für die Jugend, für die 
Glänzenden Männer.

Doch der rote, Herz und die Glieder wärmend, 
Dunkler, aus der Landschaft Burgund, der süßen, 
Oder sanfter Wein von Bordeaux gehört den 
Späteren Tagen,

Der schon still verzichtenden Weisheit - nicht zu 
Sprung und Taten reizt er das alte Blut, er 
Gibt ihm, das schon langsamer hinrollt, Kraft und 
Schönes Gefälle,

Macht das ungesellige Zimmer rosig, 
Bringt die schon gegangenen Freunde wieder: 
Glück des grauen Hauptes, das einsam hinlebt, 
Labsal des Alters!   

Ein passendes Prädikat für die gesuchte Bezeichnung einer Person war auch hier nicht zu finden, nur zwei passende Zeilen – es sind die beiden letzten  – die aber geben keine Namensbezeichnung. 
   Mein Freund hatte das mit einem alten Rotwein gefüllte Glas erhoben, hielt es nachdenklich gegen das Licht und bemerkte plötzlich »das Glas hatte ja einmal einen Goldrand«, »verwehte Spuren glücklicher Zeiten« sinnierte er poetisch, mir hingegen lief es eiskalt über den Rücken, nie hatten wir Gläser mit Goldrand, immer nur glasklare ungeschliffene, um dem Wein nicht den optischen Reiz zu rauben! So hob denn ich auch mein Glas – und oh Wunder, auch er wies Spuren der goldenen Vergangenheit auf! Auf die tranken wir, im goldenen Licht alter Zeiten stiegen sie empor – weintrunkene Erinnerungen. 
   Als es mir so eiskalt über den Rücken lief, fiel mir ein passendes Prädikat ein: Eiswein! Ja, der passt! Er ist die Endstufe. Es sind die Trauben der Beerenauslese, die so lange am Rebstock bleiben müssen, bis sie bei Dauerfrost von mindestens 7° gefrieren. Es zeichnet sie eine harmonische Balance von reifer Fruchtsüße und animierender frischer Säure aus, und »ein wenig Bitteres darf in allem sein«! http://www.britting.de/gedichte/4-110.html
  Die Ränder unserer Gläser verfärbten sich an diesem Abend noch mehr, es war ein harmonischer Abend – ich habe ihn jedoch nicht so genossen, wie ich es getan hätte, wären nicht Spuren vom Goldrand zu sehen gewesen, wie jetzt, da er gegangen ist und ich die Gläser gründlich abgewaschen habe. 
   Es bestätigt sich hiermit wieder, was Britting sagte: »Kein Bild ist Betrug«! http://www.britting.de/gedichte/4-110.html 
[Gedanken zu Brittings Windlicht und dem betrügerischen Bild hier:
http://blogabissl.blogspot.com/2017/05/brittings-windlicht.html ]

Hans-Joachim Schuld,
vormals Wendelsteinstr. 3, 83101 Höhenmoos

Url: www.britting.de,
genaugenommen die Schuldt’sche http://www.britting.de/index.htm


*) Hab ich ausnahmsweise nicht wegkorrigiert, Schuldt war ein »Alt-Schreiber«, fj  

Permalink http://j.mp/2HyhT6X =
 https://brittingblog.blogspot.com/2018/04/eiswein.html

Dienstag, 10. April 2018

Die Geschichte der Britting-Website

http://www.Britting.De

Die Britting-Website gibt es seit Anfang der Nullerjahre. Im Rahmen der Darstellung deutscher Dichter des zwanzigsten Jahrhunderts ist sie einzigartig: Das gesamte Werk Georg Brittings (1891 – 1964) ist wiedergegeben, samt Kommentaren und Sekundärliteratur. Vergleichbare öffentlich zugängliche, vollständige Werkpräsentationen beispielsweise von Bert Brecht oder Erich Kästner sind mir nicht bekannt. (Dafür sorgt schon das literaturfeindliche Urheberrecht.)
   Brittings Witwe (1918 – 2011), links im Bild, und ihr kürzlich verstorbener zweiter Ehemann Hans-Jochim Schuldt (1920 – 2018) hatten sich gleich zu Beginn des öffentlichen Internets Ende der Neunzigerjahre daran gemacht, die Werkausgabe Brittings, 23 Bände, zu digitalisieren. Weil die gedruckte Ausgabe nicht als PDF vorlag, wie das heute vielleicht der Fall wäre, mussten die beiden Seite für Seite einscannen und maschinell optisch lesen, nachkorrigieren, digital wandeln und auf eine selbstentwickelte Website bringen, die zunächst noch ausschließlich Britting.com hieß. Das .com deutete darauf hin, dass die Site schon damals zwar nicht kommerziell aber international ausgerichtet war. Sie finden sie weiterhin auf

http://www.britting.de/index.htm (»alte Britting-Website«).

Mit ehrenamtlicher Hilfe von Dr. Bernhard Betz und mir wurden damals noch schwierig einzuarbeitende Elemente eingefügt, etwa vom Bayerischen Rundfunk brillant aufgenommene Lesungen Georg Brittings (siehe »Vertonungen«), und so der Öffentlichkeit und der Nachwelt übergeben. Erstmals wurde eine für Webauftritte so wichtige Suche eingebaut, kostenlos.
   Die Familie von Michael Britting aus Oberhausen hat uns dann auf mein Bitten im Jahr 2009 großzügig die Site mit der Endung .De, Britting.De, geschenkt, die in der Folge zur primären Zugriffsseite des digitalen Brittings wurde. Eine unverlinkte Seite zeugt noch heute davon.
   Mit dem Übergang des Erbes Georg Brittings an die 2007 gegründete »Georg-Britting-Stiftung« begann eine behutsame, aber stetige Weiterarbeit am »digitalen Britting«, besonders nach der Verlegung der Stiftung nach Regenstauf bei Regensburg, Brittings Heimatstadt.
   Brittings Werk wurde 2015 von Lena Riess ehrenamtlich korrekturgelesen und für die unterschiedlichen digitalen Lesegeräte (“Reader”) verfügbar gemacht, hier auf http://www.britting.de/ebooks/ ein Überblick. Dort stehen die vermutlich korrektesten Kopien.
   Ein Versuch, Georg Britting, den großen alten Dichter, über Facebook zu propagieren, scheiterte an der konkurrierenden Anzahl heute lebender Facebook-aktiver Georg Brittings … Georg Britting muss man nicht »liken« …
   Der heutige »Neuauftritt« Brittings im Web entstand 2017 von www.creatiomm.de und erfreut sich hoher Beliebtheit.
   Weitere Arbeiten an der Site sollten sich anschließen. Eine große Aufgabe wäre, die Site für Smartphones geeignet zu machen, und eine zielführende Suche über alle Inhalte einzuführen. Für heutige Leser wäre sanft auf »neue« Rechtschreibung zu wandeln, zumal in aktuellen Schulbüchern selbstverständlich »neu« schriftgesetzt wird, damit der moderne Leser bei Brittings Dichtungen und Prosawerken nicht durch störende, vom Dichter ungewollte und altertümliche Auffälligkeiten irritiert wird. Hier eine Anleitung dazu.
   In der Wikipedia meines Erachtens tendenziöse Darstellungen Brittings im Dritten Reich zu korrigieren, gelang mir trotz intensiven Bemühungen nur sehr teilweise; hier ein Dossier dazu. Wie fast alle moderne Medien zieht sich die Wikipedia hinter Zitate anderer Meinungsbildner zurück und gestattet keine Plausibilisierung oder gar Nachprüfung der berichteten »Fakten«.
   Schließlich: Dieser »Britting-Blog« hier harrt weiterer aktiver Mitgestalter …
und ist hier nachzulesen:
   Permalink: http://j.mp/2J8g7GW =
https://brittingblog.blogspot.com/2018/04/die-britting-website.html,
generell auf: https://brittingblog.blogspot.com/

Fritz Jörn,
 vormaliges Mitglied des Vorstandes der Britting-Stiftung, Fritz@Joern.De

Übrigens: »Mein« primärer Blog über www.Joern.De/Blog