Dienstag, 18. Juli 2017

Man schreibt sich keine Briefe mehr –

– meint unser alter Freund und Britting-Kenner –
Es gab Zeiten in der Menschheitsgeschichte, da schrieb man sich Briefe. Damals gab es Papier und Federhalter, Bleistift, Füller (»Füllfederhalter«) und oder Kugelschreiber, mit denen man seine Gedanken zu Papier brachte und durch einen Postboten zum Empfänger.
   Dieser, wenn es ein höflicher, gut erzogener Mensch war und des Schreibens kundig, erwiderte den Brief innerhalb wenigstens dreier Tage [höchstens, höchstens! Nur im 16. Jahrhundert lernten die Leute erst bloß das Lesen. Schreiben war aufrührerisch. – d.Red.]
   Zum Inhalt gab es bestimmte Regeln, die einzuhalten es sich gehörte.
   Es gab damals noch Briefumschläge im DIN-Format und Briefmarken, die drauf zu kleben waren, feucht, damit auch der Staat, dem die Post gehörte, von der Kommunikation profitierte. Nutzten doch nicht alle Briefe das volle Briefpotential von zwanzig Gramm. Die Differenz war der Gewinn der Post – meint der Rezensent.

Ungezählt sind diese Briefe und ihre Abart, die schneller und flüchtiger verfassten Ansichtskarten, worauf jeder lesen konnte, wie’s Wetter war, und dass es einem gut geht. Das waren Vorboten künftiger Kommunikation. Die mussten dann nicht beantwortet werden.
   Für wirklich eilige Nachrichten und Gratulationen gab es noch das Telegramm, frankophil Depesche genannt, für das sich eine eigene Form der Kurzsprache entwickelt hatte, kostete doch jedes einzelne Wort Geld. (Mehr hier.)
   Die Technik entwickelte danach den Fernschreiber und das Fax, bevor sie mit der elektronischen Datenverarbeitung eine Revolution der Kommunikation einläutete.
   Der Weg führt über die Erfindung des Internets und des Handys zum heute gebräuchlichen Smartphone, in dem sich alles vereint, was der Mensch erfahren oder mitteilen will – und das mit allen Sinnen, außer halt dem des Riechen.
   Diesen Geräten jedoch muss die Evolution noch folgen, um die menschliche Hand adäquat touchscreengerecht und tastenformatig umzugestalten. Bis dahin bedient man sich der Smileys. (Pardon, ich bin ein Zombie und habe an der Stelle, wo die zu erreichen sind, noch ein Mikrophon aus Zeiten der Diktatur. »Fräulein, zum Diktat bitte!«. Des Fräuleins bedarf es nicht mehr, ’s gibt auch keine mehr.) 

Zurück also zum Smiley (s.a. hier). 
   Man schreibt nicht mehr umständlich: »Ich bin traurig oder lustig oder sonst wie gestimmt«. Mit einem einzigen Zeichen deutet man das optisch an. Warum man dies oder jenes ist, und wie es dazu kam, ist doch egal (gibt’s auch dafür ein Smiley?), und Zeit hat man ohnehin nicht mehr, die frisst das Smartphone.
   Nun will ich nicht davon sprechen, dass früher alles besser war, sondern davon, was uns erwartet nach jüngsten Pressemeldungen. Erstens, dass die Entwicklung kurz vor dem Abschluss steht, auch Gerüche elektronisch zu vermitteln, z.B. mit dem »oPhone». Damit bekommt dann der Satz: »Ich kann dich nicht riechen!« oder umgekehrt endlich seinen Sinn. Auch das von der Werbung so gern gebrauche »mal schnuppern« wird Realität. 

   Aber es kommt noch dicker. Die moderne Computertechnik (»Technologie«!) hat eine Methode entwickelt, die die Gedanken des Kommunizierenden verrät. Wer also tippt: »Ich freue mich schon auf dich«, oder das entsprechendes Smiley dafür verwendet, dem – also dem anderen, dem Empfänger [die Red.] – wird akustisch vermittelt, was sich der Tipper wirklich gedacht hat.
   So wird es denn sein, dass ihr hören könntet, was ich jetzt denke!
   Wie war doch das Thema dieses Blogs – so nennt man heute so einen Text – denn: »Man schreibt sich keine Briefe mehr.«
   Wen wundert das?
   Fragt bestürzt von seinen Gedanken euer alter Hans-Joachim Schuldt, der seit vielen Tagen weder Briefe noch Mails erhält. [Ist übrigens nicht ganz wahr, gell! – der Red.]


Link hierher:
https://brittingblog.blogspot.com/2017/07/man-schreibt-sich-keine-briefe-mehr.html

Dazu auch: NZZ, 14.7.2017: »Schöne, neue Telekom-Welt«