Sonntag, 1. September 2013

Lebenszeichen

Endlich wieder ein Lebenszeichen. 
   Mich hatte eine Bronchitis just zu dem Zeitpunkt erwischt, als Reich-Ranicki ein Gedicht von Britting in seine Reihe (Anthologie) aufgenommen hatte: »Was hat, Achill«. Da liest Thomas Huber das Gedicht. Am 2. 8. 2013 resümiert Wolfgang Schneider: »Ein lyrisches Wunderwerk, das ist auf Anhieb deutlich, und es wird deutlicher, je länger man sich damit beschäftigt. Warum ist dieser Dichter, warum ist Georg Britting vergessen?« 
   Übrigens. Albert von Schirnding machte sich über dieses Gedicht auch so seine Gedanken: »Das Klassisch-Antike durchdringt sich mit süddeutschem Kolorit. … Achill ist eben nicht nur ein antiker Heros, sondern auch ein bayerisches ›Mannsbild‹ – Groß und Klein, Ferne und Nähe sind in ihm zu einer höchst einprägsamen Figur verschmolzen.« Peter Staengle nennt’s inzwischen einfach den »Gipfel jeglicher Dichtung überhaupt«, danke. Und Hermann Kurzke: »Die Liebe ist ein Geschlechterkrieg, wie in dem Gedicht von Achill ...« und macht sich so seine Gedanken über Britting und die Nazis: »Er war kein Nazi, aber er war auch nicht dagegen.« Genug: Gedichte und Dichter sind da, dass man sie liest, nicht deutet (außer in der Schule). Meint fj.
»Blick aus meinem Ipad« – in den ich auch die Mails diktiere.
Da haben sich natürlich die Anfragen gehäuft. Inzwischen sind sie alle beantwortet, die Aufträge ausgeliefert, Lizenzen erteilt usw. Und auch ich genese voran.
   Und schließe wieder einmal (etwas nachdenklich) mit Britting:

Wessen der andre auch ist,
Der ewige,
Göttlich und engelumflügelt,
Droben, der glänzende,
Den das Herz nur zu ahnen vermag –
Abgespiegelt hier unten auch glänzt er, der unsre,
Mit Bäumen und Wind und dem lärmenden Schlag
Des unbehausten, flüchtigen Kuckucks,
Der untre,
Der irdische Tag.


   Links:
»Blogs über: Georg Britting«
Dieser Eintrag hier

Dienstag, 2. April 2013


File:Galgenlieder 025.jpg


Das war eine Nacht heut Nacht.
Weil auch ich ein Fisch,
Hab ich es nachgemacht.
Doch das Format beherrscht nicht mal das Internet.
So sing ich mit nun im Duett.



 – Al-so dichtet der Protagonist, der lit. geb.
 – Dann kommt der HTML-Artiste, sucht’s erst im Netz; bitte ↖ links oben dank http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Galgenlieder_025.jpg.
Und dann probiert er’s doch zu setzen Schrift:


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Na ja, meint er dann selbst, so schee is net … Außerdem ein Ver>>>>>>>>>stoß gegns ©, oder? Das weiß man nie, im Netz, da isma drin – und dran? Hier ist der Autor siebzig Jahre tot, das ist schon mal was.
Link zu diesem Blog: http://brittingblog.blogspot.com/2013/04/das-war-eine-nacht-heut-nacht.html

Sonntag, 17. Februar 2013

Der alte Barsch

Dies ist eine Geschichte, fast ein Drama, aus der christkatholischen Fastenzeit. Es erzählt von einem eiskalten Fisch, der nichts dafür kann, einem hungrig Heizenden und Handelnden, der an allem Schuldt ist, und drumherum das reine, zarte Bangen, oder soll ich bloß sagen: Oberbayern.
   Angefangen hat es mit einem einsamen Mittagessen.

»Loup de mer« (Wolfsbarsch, Dicentrarchus labrax), AD 2011, aus dem Tiefkühlfach – Ipad-Foto Schuldt
Hier sieht man das Tierchen vor dem Verzehr auf dem heimischen Teller. Für schönere Rezepte und professioonellere Bilder verweisen wir ins weitere Netz, etwa auf Maggi. (Im Übrigen nennt der deutsche Gourmet alle möglichen Fische Loup de mer, weil’s grad so schön fischländisch klingt.)   
   Nach dem Mahle reimte dann der Herr:

Liebe Marion!
    Jetzt habe ich einen Engel aufgefressen! – (schreibt er wörtlich.)
    Und das war der von dir, der mit den weißen Locken! – Mitgefressen!
    Und süß!
    Wen und was soll er nun beschützen?
    Du siehst, nichts hält ewig! 
    – bis auf unsere Liebe!
       
Und er unterzeichnet frohgemuth:
   Dein englelverschlingender, alter Hans.
       
Mannhaft erklärt er am Ende sachlich-ungereimt:
    Heut Mittag gab’s einen »Mer de loup« aus dem Jahr 2011. Köstlich!

Antwort von Marion:
    Aber Hans, um Gottes Willen, aus  2011!!!!!!!!!!!!!
    Ich möchte stündlich ein Lebenszeichen von dir, bis morgen früh ....
Hast du den so lange im Eisfach schmoren lassen, das sollst du nicht, nicht länger als drei Monate, aber du bist ein Haudegen, du überlebst ......
(»Schmoren« im Eisfach? Wieder einmal ein leicht verqueres sprachliches Bild. Das kommt von der Erregung. Außerdem gibt’s deutsch noch kein »in 2011« oder »aus 2011«, nur im Englischen ohne was davor, das hatte Schuldt richtiger. Die Redaktion)

Darauf der alte Genießer:

    Befehlsgemäß meld’ ich mich stündlich
    – und das tu ich sehr gründlich – (schon, damit sich’s reimt!)
    Mit einm Engelchen im Bauch
    Und einem alten Fischlein auch.
   
    Bisher bewirkte der »Mer de loup«
    Noch nicht mal einen ... !
    Doch sowas Ungereimtes sagt man nicht,
    Iss lieber du den Fisch stets frisch!
   
    Ach Marion, gefroren hatte der schon so lange,
    Da war ich mir doch garnicht bange! –
    Sollt’ noch einen ich im Eisschrank finden,
    Fürwahr! – könnt ich mich sicherlich nicht überwinden! (wozu?)
   
    So habe du denn keine Angst
    Um deinen Hans.
    Du weißt es doch! Der kann’s.
    Nur fehlt die vierte Zeile leider ganz!
   
Soweit die Ballade vom »Meereswolf« (sag’ i).
Höhergeistiges unter Lupus in fabula.

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Die Aufbewahrungszeit von Tiefkühlfisch in der Truhe wird ganz unterschiedlich eingeschätzt. Einmal sind’s bloß drei Monate (das meint allerdings ein »Feuervogel«), ein anderer schreibt: ewig. Dritte philosophieren von »enzymatischen Prozessen«, und dass es drauf ankommt, und das klingt doch immer am gelehrtesten. Fett möchte ranzig werden, ganz langsam aber sicher, was man aber schmeckt. Wobei beim Bayern Schmecken schon gleich Riechen ist. Also keine Bange! Selbst die Wikipedia beruhigt: »Daher sollte man beim Verzehr von Frittiertem auf natürliche Ekelreaktionen achten, welche noch vor Erreichen gesundheitsschädlicher Anteile von Zersetzungsmaterial im Öl automatisch Alarm schlagen.«

Samstag, 2. Februar 2013

Noch ’n Gedicht

Theke – Antitheke – Syntheke

Philosophen-Karikatur von Robert Gernhardt – s. SWR
Beim ersten Glas sprach Husserl:
»Nach diesem Glas ist Schlusserl.«
   Ihm antwortete Hegel:
   »Zwei Glas sind hier die Regel.«
»Das kann nicht sein«, rief Wittgenstein,
»Bei mir geht noch ein drittes rein.«
   Worauf Herr Kant befand:
   »Ich seh ab vier erst Land.«
»Ach was«, sprach da Marcuse,
»Trink ich nicht fünf, trinkst du se.«
   »Trinkt zu«, sprach Schopenhauer,
   »Sonst wird das sechste sauer.«
»Das nehm ich«, sagte Bloch,
»Das siebte möpselt noch.«
   Am Tisch erscholl Gequietsche,
   still trank das achte Nietzsche.
»Das neunte erst schmeckt lecker!«
»Du hast ja recht, Heidegger«,
   rief nach Glas zehn Adorno:
   »Prost auch! Und nun von vorno!«
                                        soweit Robert Gernhardt (1937—2006)

beim elften Glas, fiel Britting ein.
Wer wissen will, wie’s weiterging, 
der klicke hierauf diesen Link.
Es fehlt hier noch der Heinrich Kleist,
den füg ich ein – mit noch ’nem Link – schon dreist.
   – Sagt’s, schreibt’s und legt es nieder, der nimmermüde Hans-Joachim Schuldt.

Spittelmarkt 1783. Bild s. Wikipedia. 1786—1796 sollte Kleists Anekdote spielen.
PS. Hier steht der Kleist ganz ohne Link:

   Der Branntweinsäufer und die Berliner Glocken  

Ein Soldat vom ehemaligen Regiment Lichnowsky, ein heilloser und unverbesserlicher Säufer, versprach nach unendlichen Schlägen, die er deshalb bekam, dass er seine Aufführung bessern und sich des Brannteweins enthalten wolle. Er hielt auch, in der Tat, Wort, während drei Tage: ward aber am vierten wieder besoffen in einem Rennstein [sic!] gefunden, und, von einem Unteroffizier, in Arrest gebracht. Im Verhör befragte man ihn, warum er, seines Vorsatzes uneingedenk, sich von neuem dem Laster des Trunks ergeben habe? »Herr Hauptmann!« antwortete er; »es ist nicht meine Schuld. Ich ging in Geschäften eines Kaufmanns, mit einer Kiste Färbholz, über den Lustgarten; da läuteten vom Dom herab die Glocken: ›Pommeranzen! Pommeranzen! Pommeranzen!‹ Läut, Teufel, läut, sprach ich, und gedachte meines Vorsatzes und trank nichts. In der Königsstraße, wo ich die Kiste abgeben sollte, steh ich einen Augenblick, um mich auszuruhen, vor dem Rathaus still: da bimmelt es vom Turm herab: ›Kümmel! Kümmel! Kümmel! – Kümmel! Kümmel! Kümmel!‹ Ich sage, zum Turm: bimmle du, daß die Wolken reißen – und gedenke, mein Seel, gedenke meines Vorsatzes, ob ich gleich durstig war, und trinke nichts. Drauf führt mich der Teufel, auf dem Rückweg, über den Spittelmarkt; und da ich eben vor einer Kneipe, wo mehr denn dreißig Gäste beisammen waren, stehe, geht es, vom Spittelturm herab: ›Anisette! Anisette! Anisette!‹ Was kostet das Glas, frag ich? Der Wirt spricht: Sechs Pfennige. Geb er her, sag ich – und was weiter aus mir geworden ist, das weiß ich nicht.«

Freitag, 1. Februar 2013

Vorfrühlingsgruß vom Chiemsee

Chiemsee bei Seebruck. Foto Schuldt mit Ipad
Mag’s der wärmste Januartag seit Men­schen­ge­den­ken gewesen sein, dieser letzte Januar­tag 2013, es war ein schöner Tag. Die Wolken sehen nach Föhn aus, der See nach Sehnsucht …

Und gerade die lässt unseren unermüdlichen Bayern-Berichterstatter mit alten Dichtern seufzen:

»Es ist so traurig, sich allein zu freuen.«                    Minna von Barnhelm II, 3. (Fräulein)
  Gotthold Ephraim Lessing (1729 - 1781)

Was hiermit überwunden scheint, dank Internet! Merke: Im Netz ist keiner allein, zumindest nicht im Web zweinull, so sich jeder so seine »Komm Junitty« zusammenklaubt.


Foto Schuldt mit Ipad
Wes Kirch’ das ist, wird er mir schon noch schreiben, der Meister!

Lasset uns also einkehren:

Schlosswirtschaft Wildenwart, Jägerstube. Foto Schuldt mit Ipad
Foto Schuldt mit Ipad
In diesem Fall in Wildenwart, in die Schlosswirtschaft. »Hier bin ich bekannt und werde mit Namen begrüßt«, schreibt der Protagonist hinter und mit seinem  Ipad. »Die Stube war voll, so fand ich in der Jägerstube einen Platz und warte jetzt geduldig auf den bestellten Schweinsbraten, der hier sehr gut ist. – Das Tegernseer Bier läuft schon wohin es muß!«
   Hernach nur kursorisch: »Ich lasse mich jetzt von meiner bezaubernden Kopilotin nach Hause führen, ich folge ihr einfach, bis sie sagt ›Sie haben ihr Ziel erreicht!‹ (Wir siezen uns noch immer!).
  Na, wenn das keine gute Siesta verspricht, was dann? – fragt der alte Hans, der mit dieser Rose ganz herzlich grüßt.«

Liest das eigentlich wer? Oder ist das eher »für die Katz«? Foto wieder Schuldt mit seinem Ipad.




Montag, 28. Januar 2013

Heut’ ein Hinweis, a lustiga Link,

dazu ein eigener Spruch:
   Einsamkeit ist äußerst produktiv!
   Es ist schwer, sie zu ertragen.
   Doch schwerer zu ertragen ist Zweisamkeit,
   Die sich an sich selbst verzehrt.
                              Hans-Joachim Schuldt


Zum Feierabend von Loriot: http://youtu.be/9qUtWteHPUI.
Der Text hier

Samstag, 26. Januar 2013

Noch ’ne Geschichte –
Wein, Ipad, u. a.

Es war schon spät geworden – eigentlich hätte ich, wie einige Gäste vor mir, das gastliche Haus längst verlassen haben müssen. 
   Es war ein Geschäftsjubiläum, Anlass zu einer Feier, in einem gut situierten, kultivierten Haus erster Adresse. Vornehm bis in die Fingerspitzen: die zum Handkuss entgegen gehaltene Hand der tatsächlich schönen Gastgeberin, die dann womöglich der Grund für mein Verweilen gewesen sein könnte.
   Bei all dieser vornehmenden Zurückhaltung trat darüberhinaus dann ein, was man Gemütlichkeit nennen kann. Dazu hatte ein vorzüglicher Frankenwein beigetragen und ein paar gut vorgetragene Toasts, die Anlass waren, Geschichten von Trinksitten zum Besten zu geben. (Ein Toast, meine Damen und Herren neuzeitliche Leser, ist hier nicht ein teilgesintertes Stück Wonder Bread, sondern eine kurze Ansprache, eine kleine Geschichte, mehr oder weniger passend zum Anlass. fj)
   Ob auch ich mit einer solchen Geschichte aufwarten könne, wurde ich gefragt. Das machte mich verlegen, kam ich doch aus einer ganz anderen gesellschaftlichen Schicht. Dann kam mir die Geschichte von Britting in den Sinn. Ich gab zu bedenken, dass die Sache zu lang sei für so einen kurzweiligen Abend. Diese Ausrede verfing beim Hausherrn nicht – er ließ die Gläser noch einmal füllen, reichte eine Kiste mit echten Havannas herum, und, nachdem er die seine umständlich entzündet hatte, sah er sich fragend um im Kreis und sagte fordernd: »Erzählen Sie, die Nacht ist noch lang!«
   Also begann ich:

Ich habe einen guten Freund, der lebt jetzt nicht mehr in Deutschland, der lebt jetzt in England. Wenn ich mit ihm zusammensaß, und wir tranken Wein, so stürzte er das Glas in einem Zug hinunter. Er machte das nicht nur mit dem ersten Glas so, er machte es mit jedem Glas. Er trank nicht mehr als wir, er wartete, geduldig und höflich genau, bis wir andern, den Wein schluckweis trinkenden, auch unser Glas leer hatten. Dann goss er die Gläser voll, und seins trank er dann wieder leer in einem einzigen habgierigen Zug. Ich fand es etwas grobschlächtig, so zu tun, und fand es auffallend bei einem so artigen Mann, der er ist, und einmal sagte ich ihm: Tu langsam! Er sah mich nur lächelnd an, wie einer, der es besser weiß, und legte seine breite, feste Hand auf meine, und sagte: Lass mich so! Und ich ließ ihn so, ohne nach seinen Gründen zu fragen. Er wird diesen Brauch beibehalten haben im fremden Land. Genug zu trinken zu haben, wünsche ich ihm, die Insel ist neblig.
  Dann begegnete mir diese Verhaltensweise wieder. In Köln war ich mit einem berühmten Dichter zusammen. Der hatte seine Gedichte im Rundfunk gesprochen, und nach der Lesung erwartete ihn ein Gelehrter, von großem Namen auch er, der nur gekommen war, von dem Hochverehrten, den er noch nicht von Angesicht zu Angesicht, nur aus seinen Versen kannte, sich das Glück auszubitten, dass er ein Glas Weins mit ihm trinke. Wir gingen in die Wohnung des sonderbaren Schwärmers. Er hatte aus dem Keller den besten Jahrgang geholt. Feierlich-umständlich entkorkte er die Flasche und füllte die Gläser mit dem flüssigen Gold: das Zimmer duftete davon. Er stieß mit dem Dichter, dann mit mir an, und da geschah es: der Dichter stürzte sein Glas in einem einzigen Zug hinunter. Ich erschrak über das Unangemessene. Der Wein war ein hochedles Gewächs, bei einem einfachen hätte es noch angehen mögen. Der gelehrte Herr erschrak sicher nicht weniger wie ich, ließ sich aber nichts anmerken und schenkte dem Dichter das Glas sofort wieder voll. Und wieder leerte es der in einem tiefen Zug. Unser Wirt war zu vornehm, ein Wort darüber zu verlieren. Ich sagte auch nichts, mir war mein Freund in England eingefallen. Dann redeten wir, dieses und jenes, und der Dichter musste zur Bahn, und wir begleiteten ihn. Unerschüttert aufrecht schritt er dahin.
  Ich trinke, auch wenn ich Schnaps trinke, das Glas nicht in einem Zug leer. Das liegt nicht in meiner Natur. Doch weiß ich, dass es beim Schnaps viele mit dem »Aufeinenzug« halten. Bei einem Verleger, der aus dem Schwarzwald ist, gab es einen Himbeergeist, herrlichen, alten, der roch, wie ein ganzer Himbeerschlag riecht, wenn er in der Sonne glüht. Ich nahm, wie gewohnt, meinen Schluck, der Verleger kippte sein Glas kopfüber hinab. So sei es richtig! sagte er tadelnd, jeder Schwarzwaldbauer mache es so. Das gäbe einen glühenden Stoß bis ins Herz.
  Einmal versuchte ich’s auch mit dem »Aufeinenzug«. Es war eine leere Stunde, traurig war mir zumut, ohne Grund, und da fielen mir die Aufeinenzug-Leute ein. Ich hatte eine Flasche Burgunder stehen, die holte ich hervor. Ich goss mir das Glas voll und leerte es, ohne abzusetzen. Und ein zweites und drittes hinterdrein. Eine Feuerwolke umhüllte mich. Es war eine Wärme, die kein Ofen spenden kann. So himmlisches Feuer gibt nur der Wein. Es war ein plötzliches Glück. Die Traurigkeit war fort, und in rosigen Nebeln dampfte die Welt. Die gedrungene Burgunderflasche gefiel mir, und ich legte die Hand um sie, wie um eine Frauenhüfte. Ich begann zu sprechen, obwohl ich allein war und lauschte meinen Worten, die ein andrer sprach. Ich glaube, ich habe Weises gesprochen und Schönes, obwohl es sich nicht reimte. Zuletzt dann sprach ich in Reimen, und die Reime fielen mir zu, wie die Äpfel vom Baum fallen, in der rechten Stunde.
  Seitdem bin ich wieder zu meiner alten Gewohnheit zurückgekehrt. Ich trinke, wie es sich gehört, den Wein in kleinen Schlucken, seine Würze zu schmecken. Aber vielleicht haben die andern recht, mein alter Freund auf der Insel, und der Dichter, der nun schon tot ist.
  

Spülung. Bild Wikipedia
Mein Vortrag wurde einige Male an jenen Stellen unterbrochen, die zum Nachschenken einluden, dann aber wurde ich mit Fragen bestürmt, nach den Namen der Betroffenen. Ja, in der Tat, so wie der Erzähler selbst, sie sind alle tot, doch ihre Namen sind wohl bekannt!
   Die Damen hatten sich alsbald in den Salon zurückgezogen, zu einem Mokka, die übrig gebliebenen Mannsbilder jedoch wussten noch manche Geschichte zu erzählen – natürlich auch die vom wilden Mann, die ich nur angedeutet hatte, die nun aber in ihrer ganzen Breite zelebriert wurde, wobei bei jedem Glöckchenklingen ein homerisches Lachen ausbrach und die Gläser gefüllt wurden.
   Nun ja, die Geschichten wurden nicht besser, als mich der Hausherr fragte, ob ich – nachdem ich die längste Geschichte erzählt hatte, noch mit einer kürzesten beitragen könne.
   Da der köstliche Wein all zu schnell »heruntergespült« wurde, erinnerte ich mich daran, dass es unter den Theaterrequisiten auch etwas gab, was mit »herunterspülen« zu tun hatte – und angesichts der Tatsache, dass es so einiges herunterzuspülen gab, sagte ich: »Ja, aber es ist wirklich sehr kurz!« – »So lassen Sie es uns hören!«
   Es war ganz still geworden, und aus dem Damensalon war auch kaum noch etwas zu vernehmen, was aber dann zu vernehmen war, das hört wer auf das Bild hier oben klickt.

   Vier entsetzte Damenköpfe schauten aus dem Salon herein, bis endlich ein allgemeines Gelächter ausbrach und die Damen nun zu uns kamen, um auch noch Geschichten solcher Art zu hören. 
Alkoholfreies Bier aus dem Iphone
»Nun gut, ich möchte noch ein Glas«, sagte ich. Der Hausherr hatte schon die Flasche in der Hand, als ich ergänzte: »Nein bitte, es sei ein leeres!« Dann hielt ich meinen Ipad über das Glas und ließ ein Einschenken erklingen.
   Man bat mich um noch eine Geschichte. »Nun gut, es sei für heut’ die letzte denn!« Hier. Und mit mit diesem Ruf kam ich recht »früh« nach Haus –  Ihr alter Hans-Joachim Schuldt.