Samstag, 2. Februar 2013

Noch ’n Gedicht

Theke – Antitheke – Syntheke

Philosophen-Karikatur von Robert Gernhardt – s. SWR
Beim ersten Glas sprach Husserl:
»Nach diesem Glas ist Schlusserl.«
   Ihm antwortete Hegel:
   »Zwei Glas sind hier die Regel.«
»Das kann nicht sein«, rief Wittgenstein,
»Bei mir geht noch ein drittes rein.«
   Worauf Herr Kant befand:
   »Ich seh ab vier erst Land.«
»Ach was«, sprach da Marcuse,
»Trink ich nicht fünf, trinkst du se.«
   »Trinkt zu«, sprach Schopenhauer,
   »Sonst wird das sechste sauer.«
»Das nehm ich«, sagte Bloch,
»Das siebte möpselt noch.«
   Am Tisch erscholl Gequietsche,
   still trank das achte Nietzsche.
»Das neunte erst schmeckt lecker!«
»Du hast ja recht, Heidegger«,
   rief nach Glas zehn Adorno:
   »Prost auch! Und nun von vorno!«
                                        soweit Robert Gernhardt (1937—2006)

beim elften Glas, fiel Britting ein.
Wer wissen will, wie’s weiterging, 
der klicke hierauf diesen Link.
Es fehlt hier noch der Heinrich Kleist,
den füg ich ein – mit noch ’nem Link – schon dreist.
   – Sagt’s, schreibt’s und legt es nieder, der nimmermüde Hans-Joachim Schuldt.

Spittelmarkt 1783. Bild s. Wikipedia. 1786—1796 sollte Kleists Anekdote spielen.
PS. Hier steht der Kleist ganz ohne Link:

   Der Branntweinsäufer und die Berliner Glocken  

Ein Soldat vom ehemaligen Regiment Lichnowsky, ein heilloser und unverbesserlicher Säufer, versprach nach unendlichen Schlägen, die er deshalb bekam, dass er seine Aufführung bessern und sich des Brannteweins enthalten wolle. Er hielt auch, in der Tat, Wort, während drei Tage: ward aber am vierten wieder besoffen in einem Rennstein [sic!] gefunden, und, von einem Unteroffizier, in Arrest gebracht. Im Verhör befragte man ihn, warum er, seines Vorsatzes uneingedenk, sich von neuem dem Laster des Trunks ergeben habe? »Herr Hauptmann!« antwortete er; »es ist nicht meine Schuld. Ich ging in Geschäften eines Kaufmanns, mit einer Kiste Färbholz, über den Lustgarten; da läuteten vom Dom herab die Glocken: ›Pommeranzen! Pommeranzen! Pommeranzen!‹ Läut, Teufel, läut, sprach ich, und gedachte meines Vorsatzes und trank nichts. In der Königsstraße, wo ich die Kiste abgeben sollte, steh ich einen Augenblick, um mich auszuruhen, vor dem Rathaus still: da bimmelt es vom Turm herab: ›Kümmel! Kümmel! Kümmel! – Kümmel! Kümmel! Kümmel!‹ Ich sage, zum Turm: bimmle du, daß die Wolken reißen – und gedenke, mein Seel, gedenke meines Vorsatzes, ob ich gleich durstig war, und trinke nichts. Drauf führt mich der Teufel, auf dem Rückweg, über den Spittelmarkt; und da ich eben vor einer Kneipe, wo mehr denn dreißig Gäste beisammen waren, stehe, geht es, vom Spittelturm herab: ›Anisette! Anisette! Anisette!‹ Was kostet das Glas, frag ich? Der Wirt spricht: Sechs Pfennige. Geb er her, sag ich – und was weiter aus mir geworden ist, das weiß ich nicht.«