Montag, 21. Januar 2013

Als Lebenszeichen ein Traum

Du hast mich vor gar nicht so langer Zeit einmal gefragt, ob ich noch manchmal von meiner Frau träume? Und da wir über Geistiges gesprochen hatten, verstand ich die Frage dahin gehend, ob sie mir noch manchmal im Traum erschiene, als Geist. Hieraus ist zu erkennen, dass die Bedeutung von dem abhängt, was gerade präsent war!

Auch ein Klaglied zu sein in Mund der Geliebten, ist herrlich,
Denn das Gemeine geht klaglos zum Orkus hinab.
                                                                            Aus Schillers Nänie
Das goldene Dachl in Innsbruck
Dir will ich nun erzählen, was und wovon ich geträumt habe:
   Wir saßen in der äußerst gemütlichen Tiroler Stube vom Wirtshaus »zum wilden Mann« in Lans. Das Feuer im Kamin war schon erloschen, nur die Glut flackerte noch manchmal zu kleinen violetten Flammen auf. Es roch nach Holz und ein wenig nach Rauch. Die meisten Gäste waren schon gegangen, wir aber waren noch hungrig aufs Gespräch; so bestellte ich noch einen vom besten Wein, der zu diesem Ambiente passte, einen Brunello vom Steineichenberg. Wir hatten über die Irrungen und Wirrungen der Menschen gesprochen, da fiel wir jener wundervolle Roman von Nikolai Semjonowitsch Leskow ein vom »verzauberten Pilger«
   »Ich habe leider vergessen, was ich dir alles von ihm erzählt habe, aber es war wunderbar! Du musst diesen Roman einmal lesen! Überhaupt die Russen, herrliche Literatur! Nie flach, nie banal, immer bis in die tiefsten Abgründe der Seele tauchend. Kennst du Paustowski? – Wart’, ich hole schnell einen Band!« (Im Traum ist sowas möglich.)
Nach Innsbruck im Traum: links
   Dann kam die reizende junge Bedienung, um nachzuschenken, und du fragtest sie in aller Unschuld, warum denn das Gasthaus »zum wilden Mann« heiße – und ihre Wangen wurden rot wie die Glut im Kamin! Ich beruhigte sie, indem ich sagte: »Schon gut, ich erzähle die Geschichte.« Die aber ist eigentlich nur eine für Manns­bilder, die am Stammtisch sitzen, über dem eine Lampe hängt, die immer, wenn sie zu schwanken anfängt, Anlass zu einer neuen Runde gibt. Es wurde eine berauschende Nacht! –
   Wir waren dann noch unten in Innsbruck, beim goldenen Dachl und standen auf der Brücke über dem Inn, sahen den Mond sich silbern spiegeln im Wasser – und mit seinem Licht, mit seinem Wasser und seinem Geröll verrann auch mein Traum.

Und wer traurig ist diese Nacht, 
Stützt den Kopf in die Hand 
Und sitzt und sinnt, 
Dass Träume nur blieben, was sie eben sind, 
Eben nur Träume, zu mehr nicht gemacht.

...
Und die Sterne in dieser Nacht, 
Und der tröstliche Mond, 
Der seinen ewigen Gang sich nicht nehmen lässt – 
Halt sein Herz der nur fest, 
Der hinauf schaut hoch in die himmlische Pracht,
...
Und feiere das Fest, 
Denn eh ers bedacht, 
Mit Mond und Sternen und Kerzen die Nacht  
   Aus »Nacht der Erinnerung« von Georg Britting